Der Kern

Über die ganze Entkernerei ist es Winter geworden und inzwischen heizen wir mit einem Gasheizgebläse. Aber nun ist es geschafft. Wir sind am Kern angekommen. Oder vielleicht treffender: Das Haus ist nur noch Haut und Knochen. Ungefähr sieben Wochen hat uns die „Ausweidung“ und die Freilegung der Grundmauern in Abend- und Wochenendarbeit inzwischen gekostet. Damit hatten wir nicht gerechnet. Immer, wenn wir gedacht haben: „So, dieses Wochenende sind wir durch“, fiel wieder irgendwo was Neues auf „Ach nee, das ja auch noch…“ Gerade hatte man die Berge von Schutt aus einem Raum geräumt, lag schon wieder die nächste Ladung da und hüllte das Untergeschoss in Staubnebel. Ich muss nochmal genau die Quittungen vom Entsorgungszentrum zählen, aber ich denke es waren an die 15 Tonnen. Auch die rostigen Wasserrohre, von denen manche beim Ausbau einfach zerbröseln, die Heizung und die Elektroinstallation hat Dietmar zuletzt noch demontiert.

Der gigantische, fast 2 m tiefe Einbauschrank im Badezimmer war eine echte Herausforderung: Ein Kunstwerk aus miteinander verschraubten und mit 12 cm langen und schrecklich dicken Nägeln fixierten Spanplatten und anderen Holzbauteilen. Der hat uns richtig Zeit gekostet und fast eine ganze Anhängerladung Holz ausgemacht. Immer, wenn ich die Leisten und Platten mit den in alle Richtungen verbogenen Monster-Aufspießnägeln die Treppe runtergetragen habe, war mein einziger Gedanke „Bloß nicht fallen!“ Und nicht zu vergessen, der wochenlange Spaß mit der Gummi-Staubmaske. Vor allem bei Aufräumarbeiten wird das Kondenswasser zum Nervfaktor, denn das sammelt sich unbemerkt vor der Dichtungswulst. Sobald man sich bückt – und das macht man nun mal beim Gedöns aufsammeln ständig – fließt das Kondenswasser in den tiefsten Punkt, die Ausbuchtung für die Nase. Plitsch – wird die Nasenspitze bei jeden Bückvorgang in eine kleine Kaltwasserpfütze getunkt. Entweder, man lebt damit oder man putzt alle 20 Minuten diese verdammte Maske aus. Es ist nicht schön… ein bisschen wie die chinesische Wasserfolter.

Mystery

Die Uhr in der Küche hat irgendwann in den Tagen zwischen Grundbucheintragung und den groben Arbeiten um fünf vor fünf aufgehört zu ticken. In den Moment dachten wir beide: „Jetzt isses unsers.“ Dass der Batterie just in diesem Moment die Kraft ausging war ein pseudomysteriöser Zufall. Wirklich merkwürdig war allerdings der Vorfall mit der Schubkarre. Die hatte vor einer Woche einen Platten. Wäre der Reifen beschädigt, hätte ich mir keinen Kopf gemacht, es liegt ja genug reifenfeindliches Zeug herum. Aber wir haben ihn einfach wieder aufgepumpt und er ist dicht. Die Schubkarre steht in dem verschlossenen Haus. Wer hat also die Luft aus dem Reifen gelassen? Der Hausgeist?

Auch die befürchtete Leiche haben wir gefunden – oder vielmehr gleich zwei: Eine mumifizierte Maus und eine zementierte Ratte. Mutmaßlich Ende 19. Jahrhundert, denn ich fand sie im Schuttberg der alten Pliesterdecken im Flur, zusammen mit großen Mengen Heu, Stroh und Blättern – vermutlich ein Nest.

Immer noch ein Rätsel: Die doppelte Außenwand auf der Flurseite.

Der nächste Termin

Aber nun sind der Schutt und der Staub raus und wir haben einmal von oben bis unten durchgesaugt. Alle Wände sind freigelegt und vom Putz befreit, alle Balken und Holzdecken liegen frei, ebenso die Fußpfetten und der Dachstuhl, sodass jetzt endlich die Obere und Untere Denkmalbehörde, Zimmermann, Architekt und Statiker genauer hinschauen können und die ersten Lösungsansätze besprochen werden können. Der Statiker war schon da und war nicht großartig entsetzt. Er sah auch kein Problem darin, die Decken tiefer zu setzen.

Am 14. Dezember steht der nächste Termin an, diesmal mit der Oberen Denkmalbehörde. Dann wird sich hoffentlich klären, wie wir das Häuschen wieder in einen bewohnbaren Zustand versetzen können.

Die ersten Einbauteile haben wir durch einen Zufall auch schon erjagt. 90 % Rabatt bei einer Baumarkt-Räumungsaktion haben uns für 60 Euro ein großes Mahagoni-Holzfenster, das nahezu perfekt ins Esszimmer passen würde, und für 30 Euro eine Duschtasse beschert. Läuft.