Die Wurzelbehandlung der grünen Hölle

Mitte März packte mich die Ungeduld. „Und wenn wir schon mal den Garten machen?“ fragte ich vorsichtig und die Antwort bestand aus strahlenden Augen und einem breiten Lächeln. Eigentlich hatten wir immer gesagt, dass der Garten unsere letzte Sorge ist. Wir waren uns einig: „Den machen wir zum Schluss.“ Doch als die ersten Sonnenstrahlen und das erste frische Grün rauskamen, überwältigte uns der Tatendrang. Da wir in unserer Wohnung keinen Balkon haben und bei Hitze immer mit dem Klappstuhl an den Rhein oder den Lohheider See geflüchtet sind, fanden wir es plötzlich dumm, das Gärtchen weiter zuwuchern zu lassen. Obst anbauen? Grillen? Zelten? Wasser, Strom, Toilette ist ja alles zumindest rudimentär vorhanden. Also hoppel. Am letzten Märzwochenende ging’s los.

Die Mutter aller Brombeeren

Das lauschige Gärtchen hat etwa 100 m². Es ist umrandet mit einer trutzigen Backsteinmauer, dadurch wirkt es ein bisschen wie ein Burghof. Der Zustand war im ersten Anblick einigermaßen hoffnungslos. In der Mitte thronte die Mutter aller Brombeeren. Das stachelige Gewächs wucherte auf der gesamten Fläche, in friedlicher Koexistenz mit einem opulenten Efeugeflecht. Über freundschaftliche Beziehungen konnten wir uns im ersten Schritt eine Motorsense leihen, mit der Dietmar das ganze Gestrüpp niedergemetzelt hat. Es war echt ein Elend, den Grünschnitt zusammenzuharken, weil sich die Harke ständig im Wurzelgeflecht verfangen hat. Mit ein bisschen Geschick konnte man ganze Ballen zusammentragen, weil die langen Efeustrippen sich mit den Brombeerranken verheddert haben, aber unterm Strich eine mühselige Angelegenheit, die auch den ein oder anderen Feierabend der Folgewoche gekostet hat. Dann der nächste Klopper. Bei dem Versuch eine größere Wurzel auszubuddeln, setzte ich den Spaten an und hopste mit meinem ganzen Kampfgewicht auf das Spatenblatt. Es machte kurz „Kracks“ und das Ding blieb einfach bei 5 cm stecken. Nach mehreren weiteren vergeblichen Versuchen, den Spaten in den Boden zu rammen, fiel die Entscheidung eine Bodenfräse zu mieten. Die Erde war bis in gut 20 cm Tiefe gründlich durchwurzelt.

Unkraut haben wir bemerkenswerterweise keins gefunden (und ich hoffe, das liegt nicht an dem großen Kanister Unkrautvernichter mit holländischer Aufschrift, den wir im Schuppen gefunden haben), dafür eine dicke Humusschicht aus verrotteten Blättern von den beiden großen Bäumen des Nachbarn. Darunter eine Buche von enormem Umfang, die als Naturdenkmal eingetragen ist. Jahrelang hat das Laub keiner weggemacht. Es ist einfach nur verrottet und hat allerlei Getier glücklich gemacht. Wir haben mehrere Erdkröten, Hummeln, Bienen, enorme Mengen richtige fetter Regenwürmer, Rotkehlchen und andere Vögel und Krabbeltiere getroffen. Unter all dem Gestrüpp war zudem eine Betoneinfassung für ein Frühbeet versteckt. Das haben wir bereits am ersten Wochenende freigelegt und da es nicht so arg durchwurzelt war, wie der Rest des Gartens, konnten wir hier schon Erdbeeren und Pflücksalat pflanzen. Sonntag hat es uns dann in ein holländisches Gartencenter verschlagen. Kräuter, Rosen, Lavendel und ein Kirschbaum standen auf unserer Wunschliste. Die alte Badewanne, die ich irgendwie kultig fand, hatte am Sonntagabend bereits ihre neue Bestimmung als Kräuterbeet gefunden.

Mit 16 PS gegen die Wurzeln

Am ersten Aprilwochenende hat Dietmar die Fläche dann zweimal mit einer 16 PS starken Bodenfräse durchgepflügt. Dann hieß es wieder: Harken, harken, harken. Bücken. Bücken. Harken. Bücken. Eimerweise haben wir Efeu- und Brombeerwurzeln aufgesammelt und es nahm einfach kein Ende. Ermutigend waren die begeisterten Kommentare unserer Nachbarin. Nach dem ersten Schritt sagte Sie „So hab ich den Garten seit 15 Jahren nicht gesehen!“ Ihre Mutter begrüßt uns seitdem aus dem Fenster mit den Worten „Hallo ihr fleißigen Bienchen!“ Dann ging es an die Erdbewegung. Löcher auffüllen und Gefälle abgraben. Gegen Ende der Woche hatten wir die Wurzelbehandlung abgeschlossen und die Fläche halbwegs plan. Verschiedene Gespräche mit Gartenfachleuten führten zu der Erkenntnis, dass Rollrasen bei der Vorgeschichte die erfolgversprechendste Methode der Begrünung ist, weil übriggebliebene Efeuwurzeln so kein Licht bekommen und nicht wieder austreiben. Für das zweite Aprilwochenende wurde Rollrasen bestellt und die Terrassendielen gekauft.

Wir haben einen Garten

Endlich kam wir zu dem Teil des Projekts, bei dem es nicht ums Vernichten und Zerstören, sondern ums Erschaffen ging. Rollrasen ist eine überaus befriedigende Sache: Ratzfatz war die Fläche grün. Der nächste erstaunte Kommentar der Nachbarin lautete: „So gepflegt sah das hier 25 Jahre nicht aus!“ Siehe da, wir steigern uns…

Hier und da haben wir den alten Kram, wie Backsteine, Dachziegel, Schrott und tote Wurzeln ein bisschen nett arrangiert und hoffe, dass dort all das Getier wieder einzieht, dem wir auf irgendeine Weise die Behausung genommen haben. Sorry, war nicht böse gemeint.

Zwei ganz fiese Sachen lauerten noch am Schluss. Der gammelige Unterstand mit nochmal mindestens einer Anhängerladung voll wurmstichigem Gammelholz und anderem Schrott und natürlich ein ganzer Berg rausgerissener Efeu- und Brombeerwurzeln. Das oberirdische Gestrüpp waren schon gut und gerne 4 Kubikmeter, der Wurzelberg kam dann nochmal auf die gleiche Menge.

Dietmar hat unter den Unterstand eine Terrasse gebaut und das olle Eternit-Dach und einen angefaulten Balken repariert. Das Dach ist so bemoost, dass es als Gründach wirkt. Das belassen wir erstmal so. Ist halt Vintage. Den Schuppen streichen wir gerade noch weiß an, dann sieht die Ecke doch schon gleich viel sauberer aus.

Sämtliche Gewächse, die wir gesetzt haben, entwickeln sich prächtig und wir sind schon ganz gespannt, was aus den diversen Blumensamen mit dem klangvollen Namen „Schmetterlingswiese“ so wird, die wir gestreut haben.

Als nächtes bauen wir die Gartenmöbel – und dann ist hoffentlich auch endlich der Bauantrag genehmigt.

SPECIAL THANKS to Conny für die tatkräftige Hilfe. 🙂

Zeitraffer-GIF von Rollrasen und Terrasse