Entblättert

Nach Begutachtung durch die Untere Denkmalbehörde und den Zimmermann ist klar, dass der Dachstuhl unter Denkmalschutz steht und erhalten werden muss. Da einige Teile eindeutig marode sind, wird es hier auf jeden Fall noch spannend, weil bei Reparaturen bestimmte Dokumentationspflichten erfüllt werden müssen. Unter Umständen muss ein Restaurator ran. Für das gesamte Gebäude gilt: Es muss ein Sanierungsplan vorgelegt werden, der von der Oberen Denkmalbehörde abgesegnet werden muss. Das Sanierungskonzept kann aber erst nach einer endgültigen Bewertung von Bausubstanz und Statik erstellt werden. Also arbeiten wir momentan so gut wie jede freie Minute daran, den nackten Rohbau des Hauses freizulegen. Schicht für Schicht knibbeln wir uns derzeit durch die Jahrhunderte.

Am vergangenen Wochenende haben wir die Wände von Tapeten befreit. Alles, was nicht Rigipsplatte war, musste entblättert werden. Es fing ganz harmlos mit einer Schicht Rauhfaser im Schlafzimmer an. Nach einer Stunde war im ersten Zimmer alles runter und wir sahen schon den frühen Feierabend nahen. Aber dann hielt jeder Raum seine eigene spezielle Überraschung und Tapetenmischung für uns bereit. Ein Highlight war der Treppenaufgang: Feinputz, Tageszeitung von 1955, Feinputz, Strukturtapete, Rauhfaser, Latexfarbe. Da haben wir irgendwann aufgegeben, denn das Konglomerat war nicht vollständig von der Wand zu kriegen. Ich weiß nicht, was die damals für einen Kleister hatten, es war rotzegelb wie Pattex und hat geklebt wie sau. Im Durchgangszimmer war eine Tapete mit schwarzem Ziegelmuster unter der Rauhfaser, die so dick war, dass sie sich kaum durchnässen ließ. Die Druckschicht ging runter und auf der Wand klebte dickes, braunes Löschpapier. Ich habe etliche Liter Wasser und Tapetenlöser versprüht, bis das endlich alles ab war. An anderen Stellen hat das Haus die Materialien regelrecht abgestoßen, vor allem Styropor geht gar nicht. Im Esszimmer war die Rauhfaser auf eine glatte Tapete geklebt. Die Rauhfaser fiel nach der aufwändigen Vorbehandlung von selbst von der Wand, die glatte Tapete darunter brauchte dann die gleiche Vorbehandlung nochmal. Am Sonntagabend um 21 Uhr hatten wir dann wirklich keine Lust mehr und haben den letzten Raum, die Küche, auf Montagabend verschoben.

Die schöne Überraschung war, dass sich unter dem ganzen Putz offenbar ein Fachwerkgebälk, teilweise mit Lehm- und Ziegelausfachungen verbirgt. Das ist ja genau das, was wir immer wollten! Nun sind wir gespannt, in welchem Zustand das alles ist und ob wir das Fachwerkgebälk offenlegen und wieder aufarbeiten können. Das wäre der Hammer. Im späteren Esszimmer haben wir gestern die Deckenabhängung rausgerissen. Dabei ist ein rostiger Stahlträger aufgetaucht. Was wird der Statiker wohl dazu sagen?