Hauströdel

Anfangs wollten wir ja eigentlich einfach einen Container bestellen, aber nachdem wir alles inspiziert hatten, fanden wir es etwas schade drum. Unmengen an Geschirr und Gläsern, aufwändig verziertes Porzellan, Underberg-Fanartikel, Kissen und Häkeldeckchen (bergeweise), ein Kinderwagen aus den 60ern (vermutlich). Unsere Bankberaterin brachte uns schließlich auf die Idee mit dem Hauströdel und das erwies sich heute als das Beste, das wir machen konnten. Flugs habe ich heute morgen ein großes Forexschild geplottet „Heute Hauströdel“ und das zog mehr Neugierige an, als erwartet. So kamen wir auch mit den ersten Nachbarn und Menschen aus dem Viertel ins Gespräch. Das war ein schönes Erlebnis denn einige Dinge haben tatsächlich neue Liebhaber gewonnen.

Die Underberg-Schnapsgläschen und ein Underberg-Fläschchenständer waren als erstes weg. Eine ältere Dame fand Gefallen an einem Kerzenständer und erzählte mir sehr lange von ihrer Begeisterung für alte Häuser und deren besonderer Geborgenheit, vom Vintage-Trend und dem Bewahren alter Dinge. Sie riet uns, den Fliesenboden im Flur zu erhalten oder zumindest die Fliesen behutsam zu entfernen und an einen Händler für alte Baustoffe zu verkaufen.

Der Inhaberin der Pizzeria nebenan gefiel das aufwändig dunkelblau-gold verzierte Geschirr mit dem Herkunftsstempel „USSR“ und sie hat glatt den ganzen Haufen Häkeldeckchen mitgenommen. Ich hätte nie gedacht, dass die jemand will. Und ich habe die leise Ahnung, dass ich eines Tages eine Pizza dort esse und den „Das-kenne-ich-doch…“-Moment habe.

Besonders gefreut hat mich die Begegnung mit Frau K. Die hatte der Vorbesitzerin, Frau V., nämlich zwei Fahrradlenkergriffüberzüge aus Wolle als Muster gegeben, damit Frau V. ein zweites Paar anfertigen kann. Frau V. verstarb plötzlich und Frau K. glaubte ihre einzigartigen Muster unwiederbringlich verloren. Sie war überglücklich als ich die kleinen, schwarzen Wollschläuche aus einem Handarbeitskorb zog. Ansonsten hat es sie aber auch ein bisschen mitgenommen, denn die beiden waren befreundet. Dass die Tassen, aus denen sie gemeinsam Kaffee getrunken haben, nun auf dem großen Haufen als Trödel deklariert auf Abnehmer warteten, hat sie schon etwas erschüttert. „Margot, Margot, Margot…“ seufzte sie immer wieder. Das tat mir etwas leid und ich hatte das Bedürfnis, ihr zu erklären, dass es doch viel schöner ist, wenn die Sachen neue Besitzer finden, anstatt auf dem Müll zu landen – was ich ungefähr jedem heute erzählt habe. Aber dann fand sie doch noch ein paar schöne Dinge. Sie konnte nicht alles tragen und will morgen nochmal wiederkommen. Den Wohnzimmer-Vorhang mit Stange wollte sie haben. Da wäre ich im Traum nicht drauf gekommen, der hing noch an der Wand.

Es waren auch Leute dabei, die dachten, das Haus sei noch zu verkaufen und eine ältere Dame mit undefinierbarem Akzent, die mir erzählte, sie hätte sie auch für das Haus interessiert, aber da war es schon weg. Der Verkäufer (der Sohn von Frau V.) hatte ihr erzählt, er hätte schon sehr nette Käufer gefunden. „Er hörte sich sehr glücklich an“, sagte sie. Zielsicher suchte sie sich eine flache, bunte Obstschale aus und versprach, das Geld morgen zu bringen.

Heute sind immerhin 26 Euro zusammengekommen. Dafür, dass es uns nicht ums Geld ging, sondern ums Nicht-wegwerfen, ist das echt viel. Wir haben den Leuten gesagt, sie sollen einfach geben, was es ihnen wert ist und vom Erlös bekommt die Vorbesitzerin ein paar Blümchen aufs Grab. Wenn das morgen so weitergeht, ist das Weihnachtsgesteck auch noch drin.