Verputzt

Die Sache mit dem Lehmputz war eine echte Geduldsprobe. Nachdem wir froh gewesen waren, im Juni einen Stukkateur gefunden zu haben, der sich an unsere schwierige Baustelle wagen wollte, folgte schon bald die Ernüchterung.  Wieder begann das vertraute Handwerker-Spiel mit nicht eingehaltenen Terminen und dem ständigen Nachtelefonieren. Unterbrochen von Phasen in denen der Putz trocknen musste. Ursprünglich wollten wir die Verputzerei ja selbst machen, aber wir mussten erkennen, dass diese Mengen nicht per Hand an die Wand geworfen werden können. Da Putzmaschinen für Lehmputz nicht so einfach und günstig zu mieten waren wie Stemmhammer & Co., wären wir unterm Strich kaum billiger weggekommen, hätten aber wahnsinnig viel Arbeit und Fahrerei gehabt. Für ein paar Tausend Euro mehr waren wir froh, die Arbeit zu vergeben.

Ein Stukkateur-Jungmeister und ein Azubi waren ab Ende August wochenweise Dauergast im Häuschen. Tagelang rumpelte eine alte Lehmputzmaschine im Hof und pumpte tonnenweise matschigen, braunen Lehm durch einen dicken Schlauch, an dessen Ende er unter ekligen Geräuschen herausspritzte. Schlorz, sprotz! Was für eine Schweinearbeit! Der Jungmeister hatte die stämmig-kräftige Figur eines Ringkämpfers und als ich einmal den Schlauch beiseite räumen musste, wurde mir auch klar, warum. Als ob man den ganzen Tag mit einer Anaconda kämpft… Ich war froh und dankbar, dass dieser Kelch an mir vorüber gegangen war. 16 Tonnen Lehm waren schlussendlich nötig, um die Wandheizung einzuputzen und halbwegs gerade Wände zu haben. Obwohl der Lehm eine Riesensauerei war (allein die Abdeckarbeiten im Vorfeld haben uns ein Wochenende gekostet), wirkte das Haus zusehends wohnlicher. Es roch nach Erdhöhle und sah auch so aus, aber immerhin hatte es glatte, geschlossene Wände. Ein völlig neuer Anblick, nach zwei Jahren Ziegelrohbauzustand.

Der Lehmunterputz musste in zwei Schichten an die Wand gebracht werden und zwischendurch trocknen. Durch die Wandheizung konnten wir die Trocknung glücklicherweise ziemlich beschleunigen, lediglich an den Innenwänden mussten wir mit der Heizkanone nachhelfen. Hier und da gab es kleine Schimmelstellen, die mit der Trocknung glücklicherweise schnell wieder verschwanden. In der oberen Schicht wurde ein Gewebe eingeputzt, um Rissbildung zu vermeiden und den Abschluss bildete ein mehrere Millimeter dicker rustikaler Oberputz, der noch mit weißer Lehmfarbe gestrichen werden musste. Wo es möglich war, haben wir die Fensterleibungen rund putzen lassen, das wirkt sehr urig und gemütlich. Witzigerweise ist das ein Detail, das vielen Besuchern gleich ins Auge fällt: „Die abgerundeten Fensterleibungen sind ja schön!“

Das Badezimmer

Mitte September machten wir uns an das Badezimmer. Die Fliesenauswahl war uns wirklich nicht leicht gefallen. Wir waren bereits seit Monaten durch Fliesenausstellungen und Baumärkte im Umkreis getigert, aber das passende Design war einfach nicht dabei. Uns gefielen Nostalgiefliesen, aber die Designs waren entweder zu bunt oder das hauchdünn aufgedruckte Muster wirkte weder robust noch hochwertig. Conny stieß schließlich im Internet auf einen Hersteller historischer Zementfliesen, der das Passende für uns im Programm hatte. Das Tolle an Zementfliesen ist, dass die obersten Millimeter aus Marmormehl mit natürlichen Pigmenten bestehen. Sie sind damit erheblich robuster, wenn doch mal ein Missgeschick passiert und bekommen nicht so schnell Kitschen. Wir fanden ein Dekor mit ähnlichen Elementen wie sie auch in dem alten Fliesenboden in der Waschküche verwendet wurden. Oktagonfliesen mit quadratischen Einlegern und einer Musterbordüre. Ein Traum in Naturweiß und Blau. Fliesenkleben machte Spaß, grenzte aber auch schwer an Nervenkitzel. Wie an so vielen Stellen musste man auch bei Dusche und Badewanne hier und da passend machen, was nicht passte, weil alles ein bisschen schief war. Schiefe Wände, 16 mm dicke Fliesen, ein zu puzzelndes Muster und dann noch Fliesenleger-Anfänger. Naja… dafür ist es echt gut geworden! Aber es war eine endlose Fummelei und Schnibbelei. Wir hatten uns dafür extra bei eBay einen gebrauchten Fliesenschneider gekauft und waren trotzdem tagelang beschäftigt. Aber an Ende fanden wir: Das hat sich gelohnt. Es sah wirklich hübsch aus. Und das Beste: Ende September konnten wir die Dusche bereits benutzen.

Aufwand mit den Auflagen

In meinem Büro hatte ich Brandschutzauflagen zur erfüllen, weil es gewerblich genutzt werden sollte. Deshalb musste die Holzbalkendecke gedämmt und mit speziellen Gipsbauplatten in einer Stärke von 25 mm verkleidet werden. Die Stöße mussten mit Metallbeschlägen verbunden und alles rauchdicht verspachtelt werden. Ein ziemlicher Aufwand! Außerdem brauchte ich eine T30-Brandschutztür, die in die vorhandene Stahlzarge passte. Diese war so fest und großzügig in die Wand einbetoniert, dass mutmaßlich die ganze Wand einstürzen würde, wenn man versuchen würde, sie rauszubrechen. Glücklicherweise konnte ein ortsansässiger Betrieb mir eine passende Tür liefern und einbauen. Nervenkitzel kurz vor Schluss.

Nur noch 7 Wochen…

Mitte Oktober war das Haus endlich fertig verputzt – und wir fertig mit den Nerven. Es blieben gerade mal sieben Wochen bis zum Umzug. 226 Quadratmeter brauner Lehmputz warteten auf das Finish mit Lehmfarbe. Der Dachstuhl musste tapeziert und gestrichen, die Treppe lackiert und der Fußboden verlegt werden. Ohne die beiden Malermeister in meiner Familie, mein Vater und mein Bruder, hätten wir den Zeitplan zu diesem Zeitpunkt vergessen können.